Da das Heulen eine sehr spezielle Form der hundlichen Kommunikation durch akustische Signale ist, habe ich ihm ein eigenes Kapitel mit weiteren Beispielen gewidmet. Normalerweise können meine Hunde leise und ohne etwas zu zerstören bis über acht Stunden auf mich warten. Nur ausnahmsweise, meist in neuartigen Situationen, ertönt wolfsartiges Heulen.
Neben dem Heulen aus Trennungsangst ist das Chorheulen zu beobachten, das entweder durch ein Familienmitglied oder durch ein ähnliches Geräusch aus der Umgebung begonnen wird. Solches Verhalten beobachte ich jeden Freitag Punkt 12 Uhr, wenn unser Bergstädtchen Wildemann seine Sirenen testet. Besonders die 4-12 Wochen alten Welpen und einzelne meiner Althunde machen dabei begeistet mit. Da darauf aber nichts folgt, lassen es die meisten Welpen ab einem bestimmten Alter wieder, meist bereits vor der Abgabe. Die Sirenentests gehören dann zur Normalität.
Hier ein Beispiel von unserer Belana, die sich verlassen fühlte (Tagebuch-Eintrag vom 14.7.1998):
"...Als ich aus einiger Entfernung die Beißwurst auf ein Gartenhäuschen-Dach warf, stieg Belana hinauf, reichte mir die Beißwurst hinunter und erwartete, dass ich um die Häuschen herum auf die Seite käme, auf der die Leiter steht, um ihren Abstieg zu bewundern oder gegebenenfalls Hilfestellung zu leisten. Da Belana aber schon lange keine solche mehr benötigt, beschloss ich, mit Gladess solange weiter zu spielen, bis Belana von alleine herunterkäme und Gladess wieder ausspannen würde. Belana konnte mich nicht sehen oder hören. Offenbar fühlte sie sich allein gelassen. Sie begann zu heulen wie ein Wolf. Das wollte ich mir unauffällig ansehen. Also schlich ich von Belana nicht bemerkt in die Wohnung und suchte mir einen geeigneten Fensterplatz. Ich konnte jetzt Belana sehen, sie aber nicht mich. Sie stand an der Leiter auf dem Dach, hob die Schnauze so hoch sie konnte in die Luft und heulte ein zweites und ein drittes Mal richtig laut. Zwischendurch schaute sie sich nach allen Seiten um, ob ich jetzt vielleicht wiederkäme. Ich musste meinen Sohn bremsen, der fast zu ihr hingelaufen wäre. 'Wenn Du jetzt zu ihr gehst, kann es sein, dass sie demnächst jedes Alleinsein mit der Heulerei zu beenden versucht', mahnte ich. Ich holte die Schüssel mit dem Futter aus dem Kühlschrank und stellte sie vor Gladess auf die Terrasse, die schon mal zu fressen begann. Belana konnte das nicht wissen. Da sie jetzt aber ganz allein die Leiter hinunter gestiegen war, freute sie sich doppelt, als sie außer uns auch den gefüllten Napf vorfand."
Und noch mal Belana in einer für sie neuen Situation (Tagebuch-Eintrag vom 17.01.2000):
"...Aron durfte meine Mutter und mich zur Post begleiten. Die anderen Hunde ließen wir zu Hause bzw. die großen Hündinnen im Garten. Belana bemerkte uns jedoch und rannte auf der Innenseite des Zaunes soweit mit, wie sie konnte. Sie war so aufgeregt, dass ich schon meinte, sie würde gleich über den 1,40 m Zaun springen und uns nachlaufen. Ich gab ihr auf: 'Nein, warte. Belana muss warten!' Sie kennt das Kommando. Ich gebe es meist in der Wohnung, wenn ich die Hunde alleine lasse. Sie fügte sich ungern. Aus Protest blieb sie auf der Ecke des Gartens sitzen und begann zu heulen wie ein Wolf. Ich war überzeugt, dass mein Mann sie hören und gleich in die Wohnung rufen würde. Dem war aber nicht so. Als wir eine Viertel-Stunde später erneut an der Ecke ankamen, heulte sie noch immer in der Sitzposition, die Nase gen Himmel gereckt. Sobald sie uns bemerkte, verstummte sie, bzw. löste das Kontaktheulen durch Begrüßungsfiepen ab. Auf das Geheule angesprochen, meinte mein Mann, er habe es zwar laut und deutlich gehört, jedoch nicht Belana zugeordnet. Er hatte es noch nie gehört..."
Auch Belanas Töchter Arabelle und Anjin heulten manchmal so, wenn sie sich allein gelassen fühlten. Wenn ich etwa mit einem anderen Rudelmitglied zu einer Einzelübung aufbrach und nun gerade dieses Töchterchen in der Wohnung oder auf einem Ablegeplatz draußen warten musste.
Erfolgreiches Wolfsgeheule der zwei Monate jungen Arabelle ist im Tagebuch-Eintrag vom 17.2.2000 dokumentiert. Aron holte sie zu uns zurück:
"Auf unserem heutigen Abendspaziergang kam uns wieder der mürrische alte Mann mit dem netten Schweizer Sennenhund (Entlebucher, um genau zu sein) entgegen. Ich hab die Großen beiseite gelenkt und mit einem 'Hier!' in meiner Nähe gehalten, damit der Mann mit seinem Hund unbehelligt durchkommen sollte. Drei von vier Welpen blieben bei mir und den Großen. Nur Arabelle nicht. Vielleicht, weil er so gezeichnet ist, wie Gladess, vielleicht auch, weil er so gutmütig ist, wie Gladess, musste Arabelle unbedingt zu ihm hin. Darin unterscheidet sie sich von den Geschwistern. Die hielten die Ruten hoch und begannen in Richtung des Fremden zu kläffen. Wenn die Großen und ich von etwas Abstand halten, muss es gefährlich sein... Arabelle hüpfte unterdessen am Gesicht des Schweizer Hundes hoch und rannte mit ihm. Der Besitzer moserte irgendwas unverständliches, was ich besser gar nicht erst verstanden habe und ging zügig weiter. Arabelle mit ihm. Die Großen und Kleinen um mich bellten, ich rief wiederholt "Hier, hier, hier!" und "Schnell, schnell Arabelle!", was ich speziell ihr gegenüber eingeführt habe, weil sie ja öfter mal hinter uns herbummelt und sowieso immer andere Dinge interessanter findet. Aron blieb bei mir, solange Arabelle dicht bei dem Schweizer Hund lief. Irgendwann bemerkte sie, dass sie ihren Familienanschluss verloren hatte. Sie war so weit weg, dass ich sie zwar noch gut erkennen konnte, sie uns aber nicht mehr. Weil sie offenbar wirklich die Orientierung verloren hatte, setzte sie sich auf den Weg, reckte die Schnauzenspitze so hoch sie konnte und begann zu heulen. Da jetzt einige Meter Abstand zum Schweizer Hund entstanden waren, galoppierte Aron los. Mein 'Hier!' hatte er sehr richtig auf den Schweizer Hund bezogen. Er sauste dicht an Arabelle vorbei, so dass ich einen Moment lang dachte, er wolle nun doch den Schweizer attackieren, machte aber unmittelbar hinter ihm kehrt und kam nun mit angelegten Ohren und gesenktem Kopf auf Arabelle zugeschossen. Diese ergriff mit eingezogener Rute die Flucht. Geschickt scheuchte Aron das kleine Dummerchen genau zu uns, wie ein kleines Schäfchen! Ich liebe diesen Hund!"
Als unsere Jüngsten elf Monate alt waren, ergab sich eine weitere Situation, die Arabelle zum Heulen fand (Tagebuch-Eintrag vom 8.11.2000):
"Vormittags waren unsere Hunde erst zum Spielen im Garten und dann allein zu Hause im Wohnzimmer. Gegen Mittag waren wir zurück. Ich musste aber gleich wieder los. Da die Hunde diesmal nicht allein zu Hause waren, ließ ich sie im Garten. Wie auch immer, Arabelle muss von dort aus meinen Start mitbekommen haben. Wie mir nach meiner Rückkehr berichtet wurde, hatte sie sich unmittelbar nach meinem Verschwinden auf die Terrasse gesetzt und wie ein Wolf geheult, bis man es ihr verboten hat. Vielleicht hatte sie den Motor meines Autos erkannt und mir klar machen wollen, dass ich ja wohl das Wichtigste vergessen hab: Meine Hunde! Dieses Kontakt-Heulen hat Belana auch schon oft gezeigt. Nachmittags musste ich mein Rudel für noch einen Einkauf kurz ganz allein lassen. Dafür holte ich wieder alle ins Wohnzimmer. Mit einem 'Warten müsst ihr!' ging ich weg. Ich denke, dass sie dieses Ritual inzwischen gut genug kennen, um wirklich gelassen auf meine Rückkehr zu warten.
Als ich wiederkam, war jedenfalls alles ruhig, bis ich auf einer Terrasse den Einkauf abstellte und dabei natürlich von meinen aufmerksamen Hunden bemerkt wurde. Da ich die Terrassentür nicht von außen öffnen kann, musste ich um das Haus herum, verließ also noch einmal kurz meine Hunde. Jetzt ging das Gefiepe, Geheule und Gejaule los, das andauerte, bis ich endlich bei ihnen war..."
Bei Aron und Anders habe ich dagegen Kontakt-Bellen beobachtet. So sollte Aron eines Tages auf einer hochalpinen Wanderung vor einer Alpenvereins-Hütte draußen neben Gladess schlafen, während wir drinnen unsere Bettchen hatten. Solange wir abends unten in der Gaststube saßen und ich gelegentlich nach meinen Hunden sah, war Arons Welt noch in Ordnung. Als es in der Gaststube jedoch dunkel und leise wurde, begann Aron leise "Wuff?" zu fragen. Er wartete eine Weile. Da es keine Antwort gab, folgte das nächste vorsichtige "Wuff?" Die Abstände verkürzten sich allmählich, sein "Wuff!?" wurde energischer. Ich musste etwas unternehmen. Mit Knabberkram ließ er sich für eine halbe Stunde ablenken. Dann ging sein Kontakt-Bellen von vorne los. Verbieten ließ er es sich für genau fünf Minuten. Dann begann er wieder. Schließlich nahm ich meinen Schlafsack und legte mich neben ihn auf die Wiese unter den sternklaren Himmel, an dem ich sogar zwei Sternschnuppen sah, während die großen Kuhglocken in unserer Nähe bimmelten und Aron zu beunruhigen schienen. Trotzdem war er glücklich, mich bei sich zu haben, kuschelte sich an meinen Schlafsack und blieb sogar fast leise, als eine bellende Gemse in einiger Entfernung zu hören war. Es ist so ein merkwürdig schauriges Bellen, das ihn und mich durchaus aufgescheucht hat. Gladess war so streng erzogen, dass sie keinen Protest gewagt hatte. Für sie war es auch nicht die erste Nacht alleine draußen in fremder Umgebung. Sie hatte längst das Vertrauen, das wir bald wieder bei ihr sein würden. Als Gesellschaft für Aron war sie hier nicht genug, da sie rangordnungsmäßig unter ihm stand.
Arabelle verpetzte einmal die ausgebüchste Anjin durch ihr Wolfsgeheule (Tagebuch-Eintrag vom 25.8.2001):
"Kurz nachdem ich die Hunde zum so-und-sovielten Male heute spät nachmittags ins Freigehege entließ, erklang vom oberen Ende Wolfsgeheule. Belana stand auf dem Gang vor der Freigehegetür und wollte schon wieder rein. Sie konnte es nicht gewesen sein. Also war es Arabelle. Die anderen drei Rudelmitglieder heulen grundsätzlich nicht. Mich beschlich so ein Verdacht. Ich rief die Hunde. Anders und Arabelle wirkten aufgeregt. Anjin fehlte. Ich rief speziell Anjin und gab dann Aron auf, sie zu holen. Er hob erst nur die Nase und machte 'Wuff!' - seine Art, seine Kinder zu rufen. Als Anjin aber auch daraufhin nicht kam, trabte er durchs Gebüsch und begann, sie zu suchen. Da erschien Anjin am Gartentörchen, außerhalb unseres Grundstücks. Auch sie wirkte aufgeregt. Ich beeilte mich, ihr zu öffnen. 'Da bist du ja, Anjin', kommentierte ich ihr Hereinkommen. Ich verzichtete sowohl auf Lob als auf Strafe, denn einerseits will ich kein nettes Spiel kreieren und andererseits soll ihr das nach Hause Kommen nicht verleidet werden. Offenbar hatte meine Baumrettungsaktion vom Mittwoch nun doch eine undichte Stelle im Zaun produziert, die natürlich von Anjin ausprobiert werden musste. Gut, dass Anjin außerhalb unseres Grundstücks niemanden traf. Sie hätte ihn wahrscheinlich mit Rawau erschreckt. Ich holte alle Hunde in die Wohnung und suchte die undichte Stelle. Schließlich fand ich sie. Die Zaunspannung war gerade da sehr gering geworden, wo wir im Winter oft das Grundstück nach oben verließen. Die Stelle ist zwar sehr steil, aber gerade deshalb wird Anjin es geschafft haben, den Zaun mit Anlauf und Hineinspringen an den dahinter liegenden Hang anzulegen und konnte so durch die Zaunmaschen hindurch greifen und hinaufklettern. Kein Wunder, dass Anjin mal wieder die einzige war, die stiften ging. Für die anderen fehlte es an Mut oder Motivation, sich auf so eine Aktion einzulassen. Ich befestigte den Zaun mit einigen Drahtstücken nun so an den dicksten Ästen der Bäume rechts und links der Ausbruchsstelle, dass die Spannung wieder hergestellt war. Arabelles Heulen bedeutete danach so etwas wie 'Du kannst uns doch hier nicht allein lassen!'. Belana beschwerte sich ja auch schon öfter auf diese Weise, wenn ich wegging und sie zurückließ, zum Beispiel im ehemaligen Garten in Düsseldorf, um ohne Hunde einkaufen zu gehen. Insofern hat Arabelle Anjin verpetzt. Wir wissen nun, was es bedeutet, wenn dieses Heulen im Freigehege ertönt. Gut, dass Anders und Arabelle im Vergleich zu unserer draufgängerischen Anjin rechte Zimpermimis sind. Schon zu zweit hätte ein etwas weiterer Ausflug vielleicht Spaß gemacht. Immerhin hat Arons Mutter mit ihrer Tochter Annie in deren kurzem Leben mehr als einmal den Hassler Forst unsicher gemacht. Arons Wurfschwester Annie kam mit 13 Monaten auf der A 59 bei Düsseldorf-Garath ums Leben. Anjin gleicht in Farbe, Körperbau und Charakter ziemlich genau Arons Mutter..."