Hilfe anfordern

Aron ist ein überaus hilfsbereiter Hund. Er half früher der etwas verwirrten, langsamen, alten Gladess, uns zu finden. Er half Belana oft ihr Spielzeug aus einem Gebüsch oder Baum zu holen. Belana andererseits gewöhnte sich an, seine Hilfe anzufordern.

Ein Beispiel liefert der Eintrag in Belanas Tagebuch vom 13.2.1998, als sie sieben Monate alt war:

"Der Tag verlief wie der gestrige, mit dem Unterschied, dass Belana abends auch in der Wohnung mit einem Tennisbällchen spielte. Dieser rollte unter einen Wohnzimmerschrank, so dass sie ihn weder mit ihrer Schnauze, noch mit ihren Pfoten erreichen konnte. Nachdem sie eine Weile vergeblich versucht hatte, sich platt wie eine Flunder zu machen, begann sie zu jammern und zu nörgeln. Sie steckte zwar nicht fest, brauchte aber Hilfe, um ans Ziel zu kommen. Sofort war Aron zur Stelle, der zwar längere Vorderläufe hat, jedoch noch breiter und damit ungeschickter gebaut ist. Er hatte jedenfalls auch kein Glück. Belana nörgelte immer lauter. Es war ein drolliges Nörgeln, so gar nicht hundetypisch, mehr, als ob eine Siamkatze rollig würde. Ich stand auf und organisierte ihr das Bällchen. Belana war glücklich. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Entscheidung war, auf ihr Nörgeln einzugehen. Sie könnte daraus schließen, dass sie sich durch Lautstärke auch in anderen Situationen Hilfe herbeirufen kann."

Tagebuch-Eintrag vom 7.7.1998:

"Freies bei Fuß gehen wiederholte ich mit Belana, aber im Vordergrund standen die Spielchen. Aron hielt sich meist im Hintergrund. Er beobachtete unsere Spielchen genau und wusste sofort, wenn Belana Hilfe brauchte. Dann erst interessierte er sich dafür, für sie den Gegenstand zu finden. Das äußerte sich dann meist darin, dass er am Fundstück stehen blieb, fast wie ein Vorstehhund, mit der Nase auf den Gegenstand zeigend. Die kleine Belana, die in einem unaufmerksamen Moment nicht mitbekommen hatte, wohin die Beißwurst geflogen war, verstand Arons Hilfestellung sofort. Sie sauste zu ihm, schnappte sich die Beißwurst und veranlasste mich, das Spiel fortzusetzen. Einmal verfing sich die Beißwurst jedoch in einem breiten, bis 2 m hohen Gebüschstreifen. Sie hing zwar nicht sehr hoch, aber mittendrin. Wir suchten eine ganze Weile gemeinsam, weil sie erst überhaupt nicht zu sehen war. Auch Aron schien ratlos vor dem Gebüsch zu stehen. Offenbar ein Missverständnis. Denn als wir minutenlang alle nicht auf ihn reagierten, sprang er plötzlich aus dem Stand in das Gebüsch. Es sah urkomisch aus. Er hing mit allen Läufen im Geäst, hoch über dem Boden. Doch wenige cm vor seiner Schnauze hing die Beißwurst! Ich lief zu ihm, um ihm zu helfen, doch er hatte sich bereits frei gestrampelt, als ich ankam. Zufrieden beobachtete er, wie ich die Beißwurst aus den Zweigen nahm. Belana freute sich riesig. Mitspielen wollte Aron auch diesmal nicht. Es genügte ihm, dass seine dummen Weibis weiterspielten."

Andererseits forderte auch Aron gelegentlich Hilfe an (Tagebuch-Eintrag vom 6.5.1998):

"Am Nachmittag beobachtete ich folgende Situation: Aron fand eine Katze, die sich in unserem dichten Zwergmispelgestrüpp versteckt hielt. Er steckte seinen Kopf ins Gestrüpp - es fauchte. Er rannte ganz aufgeregt quer durch den Garten zu Belana, stupste sie euphorisch an, machte auf der Hinterhand kehrt und sauste mit ihr gemeinsam an die fauchende Stelle des Gebüschs zurück. Während Belana ihren Kopf ins Gebüsch steckte und durch Wedeln kundtat, dass sie die Katze vor sich hatte, sauste Aron halb um den Busch herum und blieb mit erwartungsvoll erhobener Rute und gespitzten Öhrchen in Startposition stehen. Belana krabbelte halb in den Busch. Die Katze nahm Reißaus. Wie Aron geplant hatte, sauste sie direkt an seiner Nase vorbei. Er übernahm sofort begeistert die Verfolgung, während Belana erst einmal aus dem Busch herauskommen und halb um ihn herum musste. Ihr gegenüber hatte die Katze einen deutlichen Vorsprung. Aron dagegen war unmittelbar hinter ihr. Die Katze wurde quer durch den Garten gescheucht und rettete sich - wie immer - über den Zaun."

Alles hat seine Grenzen – Arons Hilfsbereitschaft auch (Eintrag vom 29.8.1998):

" ...Ich hängte nach 'Schluss!' das Apportierstöckchen hoch genug in einen Baum, so dass die Hunde nicht dran kamen. Abends beobachtete ich, wie Belana versuchte, an das Stöckchen heranzukommen. Sie hüpfte hoch, kam aber wegen der Zweige nicht hoch genug. Nach mehreren Versuchen gab sie auf. Da die Hunde allein im Garten waren, konnte sie mich nicht um Hilfe bitten. Stattdessen lief sie aufgeregt zu Aron, der eigentlich schlafen wollte. Aron sprang auf und folgte ihr mit hoch getragener Rute. Belana schien eine Katze entdeckt zu haben. Am Baum dann die Enttäuschung: Aron erkannte, dass Belana nur ein Stöckchen haben wollte. Die Rute hing wieder tiefer. Nach zwei trägen Versuchen, an das Stöckchen zu kommen, legte sich Aron wieder schlafen. Ich ging in den Garten und holte der nun ratlos unter dem Baum stehenden Belana ihr Spielzeug herunter."

Weitere Beispiele registrierte ich, als unser A-Wurf gerade sechs Monate alt war (Tagebuch-Eintrag vom 5.6.2000):

"...Interessant ist bei der Rudel-Haltung, wie sich die Hunde gegenseitig helfen. Die empfindliche, kleine Arabelle zeigte z. B. der großen, unempfindlichen Gladess, wo der Ball ins Brombeergeschüsch gehüpft ist. Gladess holte ihn raus und brachte ihn zu mir.

Anjin holt mir Arabelle aus dem Garten, wenn ich 'Arabelle!' rufe. Sie holt mir auch Gladess, wenn ich 'Gladess!' rufe, was ja eigentlich Quatsch ist, da Gladess schon lange taub ist. Das ist wirklich niedlich. Ob sie es hinbekommt, mir Aron oder Belana hereinzuholen, habe ich noch nicht ausprobiert. Vielleicht funktioniert es genauso. Vielleicht auch nicht, wegen der Rangordnungsunterschiede. Aron holt mir jedes vier-pfotige Familienmitglied nach Bedarf. Mit hoch erhobener Rute signalisierte Arabelle in der Abenddämmerung den anderen, dass sie etwas Interessantes entdeckt hat: Einen Igel. Sofort versammelten sich alle um das Tierchen, das sich zu recht einigelte..."

Katzen sorgen bei Hunden, die ohne Katzen leben, immer für große Aufregung (Tagebuch-Eintrag vom 23.4.2001):

"Wenn Aron sich von selbst für die Gittertreppe interessiert, ist es besser, das Rudel hereinzurufen. Denn, wenn Aron tatsächlich eine Katzenfährte findet, lädt er seine Untertanen zur Jagd ein und dann wird es laut rund um die Gittertreppe!"

Die jungen Hunde gingen aber noch nicht auf die Gittertreppe (Tagebuch-Eintrag vom 25.4.2001):

"Auch wenn Aron zur Jagd einlädt, weil er eine Katzenfährte auf der Gittertreppe gefunden hat, hüpfen die Junghunde lieber in der steilen Felswand herum, als dass sie das Metallgitter betreten. Sie haben es nicht gelernt. Für alles, was in der Natur den Durchblick nach unten frei gibt, gilt: Man könnte abstürzen. Sie verhalten sich also instinktiv richtig. Aron und Belana wurde das Begehen solcher Treppen früher beigebracht. Ansonsten gilt auch für sie: 'Hunde gehen nicht auf Bäume!'''

Und noch eine Erwähnung dieser Art (Tagebuch-Eintrag vom 8.5.2001):

"Heute bemerkte Anjin den Katzengeruch zuerst und eröffnete mit aufgeregt klingenden Geräuschen und der uns gut bekannten 'Ich hab was entdeckt!'-Haltung mit hoch getragener Rute und steil aufgestellten Ohren die Jagd. Plötzlich versammelten sich alle lautstark im Bereich der Gittertreppe, sausten hin und her, Treppe und Felswand rauf und runter, doch die Katze hatte sich längst in Sicherheit gebracht."

Durch das Vorbild der Eltern überwand unser damals einjähriger Nachwuchs schnell von selbst jede Scheu und betrat die Gittertreppe fortan genauso selbstverständlich.

Beim "Bitte öffnen"-Kratzen an der Tür darf man sich fragen, ob Gassigehen jetzt wirklich sein muss oder ob es wohl einen anderen Grund gibt (Tagebuch-Eintrag vom 26.9.2001):

"Arabelle forderte mich über Tage mehrmals auf, sie hinaus zu lassen, indem sie an der Tür zum Flur kratzte. Sie hatte es durchaus nicht unbedingt nötig. Sie fand es draußen interessanter als drinnen. Das war oft der Grund. Also ging ich dazu über, auch einmal 'Nein' zu sagen und ihr Kratzen zu ignorieren. Sie legte sich dann an die Tür und wartete brav..."