Läufigkeit und Triebhaftigkeit

Ein weiterer starker Trieb ist der Sexualtrieb, der bei einigen Hunden extrem auffällt. Meistens betrifft es unterbeschäftigte Rüden. Zum Teil zeigen jedoch auch Hündinnen und Kastraten lästiges Aufreitverhalten. Es ist in vielen Fällen als Doninanzgeste einzustufen und bei Überhandnehmen abzustellen. Sonst besteht die Gefahr, dass das Opfer sich ernsthaft wehrt oder seinerseits unerwünschte Verhaltensweisen im Umgang mit anderen Hunden entwickelt. Zieht eine Hündin alle unkastrierten Rüden außerhalb der Läufigkeit magisch an, kann eine Scheiden- oder Gebährmutterinfektion daran schuld sein. Sie hat dadurch Ausfluss, der so gering sein kann, dass er nur geruchlich von anderen Hunden wahrgenommen wird. Eine solche Hündin sollte auf jeden Fall einem Tierarzt vorgestellt werden, da Gebährmutterinfektionen tödlich verlaufen können.

Eine normale Hündin wird ein- bis dreimal pro Jahr läufig. Nur in dieser Zeit kann sie gedeckt werden. Läufige Hündinnen erkennt man am angeschwollenen Genitalbereich. Die sogenannte Vulva tritt deutlich hervor. Meistens verliert die Hündin zumindest in der ersten der drei Läufigkeits-Wochen tröpfchenweise Blut, dessen Geruch Rüden stark erregt. Fehlt der blutige Ausfluss, kommt es zu einer "trockenen Hitze". Auch während einer solchen kann eine Hündin gedeckt werden. Spätestens in der Woche der Steh-Läufigkeit fällt das deutlich einladende Verhalten Rüden gegenüber auf. Bei Berührung der Schwanzwurzel legt die Hündin die Rute zur Seite. Entsprechend können Sie Ihre Hündin testen, indem Sie den Rutenansatz massieren. In der ersten Woche beißt sie aufdringlich werdende Rüden noch weg. In der zweiten Woche ist sie dann weniger stark abgeneigt. Im Gegenteil: Mir wurde von einer Boxerhündin erzählt, die aus Liebeskummer laufen ging - sie war eben läufig - und mit einem Dackelrüden auf einer Treppe zusammenhing, als man sie wiederfand. Die während der Paarung unzertrennlichen Tiere muss man in Ruhe lassen, bis sie sich von selbst auseinander bewegen, sonst besteht Verletzungsgefahr für die Hunde. Sind Welpen nicht willkommen, muss der Tierarzt sie möglichst bald nach dem unerwünschten Deckakt "abspritzen". Das bedeutet, die Hündin bekommt Hormone gespritzt, die die beginnende Trächtigkeit abbrechen. Eine gut behütete Hündin kann nicht weglaufen und keinen Besuch empfangen während sie heiß ist. Es ist sogar verboten, eine heiße Hündin von der Leine zu lassen. Mit meiner Gladess unternahm ich dann morgens eine ausgedehnte Fahrradtour in fremde Reviere, um sie abzureagieren ohne die Rüden der Nachbarschaft mehr als nötig aufzuregen. Mehrmals musste sie dann noch kurz hinausbegleitet werden, um Flüssigkeitsüberschüsse abzubauen, denn sie trank während der Hitze unglaubliche Mengen und musste entsprechend öfter hinaus als sonst. Bei unseren späteren Hündinnen - Belana und ihren Töchtern - verlief die Hitze bis jetzt immer weit weniger deutlich. Sie trinken auch nicht wesentlich mehr als sonst.

Wer mit seiner Hündin nie Welpen aufziehen will, kann sie beim Tierarzt kastrieren lassen, d. h. die Eierstöcke und die Gebärmutter entfernen lassen, damit sie nicht mehr heiß wird. Dann wird sie mit Sicherheit auch nicht scheinschwanger, was ebenfalls lästig ist und gesundheitliche Risiken birgt. Allerdings verbietet das aktuelle Tierschutzgesetz das Amputieren von Organen ohne medizinische Notwendigkeit.  

Es gibt übermäßig triebhafte Rüden, die kein anderes Interesse zu haben scheinen, als auf andere Hunde oder was sich sonst anbietet, aufzureiten. Die Kastration wird in solchen Fällen aus Gründen ihres Hormonhaushalts durchgeführt. Die Operation stellt zwar einen Eingriff in den Hormonhaushalt dar, ist aber bei solchen Tieren sinnvoll, denn die Hunde leiden unter ihren nicht erfüllten Wünschen. Allerdings muss man sich fragen, ob der Grund wirklich der Hormonhaushalt des Tieres ist oder nicht vielmehr Unterbeschäftigung, Langeweile und Dominanzgehabe. Meiner Beobachtung nach sind die übermäßig triebhaften Hunde meist unterbeschäftigte, zu wenig belastete Hunde, die zu wenig Anregung zu sinnvoller Beschäftigung erfahren und sich deshalb mit ihrem Körper alleingelassen fühlen und auch so benehmen. Es sind dann nicht im Übermaß vorhandene Hormone, die das triebhafte Verhalten auslösen, sondern psychische Probleme des Hundes, die durch die Kastration nicht behoben werden.

Ob kastrierte Hunde nach der Operation fett und faul werden, hängt von ihren Besitzern ab. Sparsam genug füttern ist noch wichtiger als bisher. Bei einem richtig ernährten Hund ist es immer möglich, mit einem Griff ins Fell über der Rippenpartie ohne aufzudrücken die einzelnen Rippen zu fühlen. Wird er dicker, reduziert man seine Mahlzeiten.

Mitunter soll ein Hund durch die Kastration einfach nur "ruhiger" werden. Es gibt Fälle, in denen es so ist und andere, in denen das Gegenteil zutrifft. Besonders jung kastrierte Hunde können nie erwachsen werden, bleiben oft pubertär unsicher und erlangen niemals die Souveränität eines gut erzogenen unkastrierten Artgenossen.

Soll ein Hund seine Hormone und sein Triebleben behalten, aber zeugungsunfähig werden, kann er sterilisiert werden. Bei diesem Eingriff behält das Tier die Keimdrüsen, also die Eierstöcke bzw. Hoden, deren Verbindung nach außen lediglich gekappt wird.

Es gibt Hundebesitzer, die ihren Hunden das Rammeln am Hosenbein, an einem Stofftier oder der Lehne eines Sessels erlauben. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit, den Hund zu befriedigen. Er hat jedenfalls seinen Spaß. Die Hunde werden dieses Verhalten jedoch auch bei Besuch ausprobieren, was meist weniger gut ankommt. Manche Hunde handeln sich dabei Infektionen oder Prostata-Probleme ein. Außerdem verbindet sich mit diesem Verhalten möglicherweise ein Dominanzproblem, denn im Wolfsrudel ist Sex Chefsache und nur dem Alpharüden und der Alphawölfin gestattet.

Werden untergeordnete Wölfe von ihren Alphas beim Deckakt erwischt, kostet sie das möglicherweise ihr Leben. Zumindest aber müssen sie ihr Rudel verlassen. Es scheint jedoch unter Wölfen Inzestbarrieren zu geben, die die Paarung mit direkten Verwandten unattraktiv macht, so dass die ohnehin erst mit 2-3 Jahren geschlechtsreif werdenden Tiere abwandern und sich ihre Partner zur Familiengründung woanders suchen.

Interessanterweise machen manche Züchter die Erfahrung, dass Zuchthündinnen, zu denen sie meinen, im eigenen Rudel einen passenden Deckrüden zu haben, diesen konsequent ablehnen, so dass der Züchter entweder auf einen fremden Deckrüden ausweichen oder die Hündin künstlich besamen lassen muss.

Besonders brutal geht es bei den Dingos in Australien zu. Diese verwilderten ehemaligen Haushunde zeugen in ihrem Rudel mehrere Würfe, aber nur der Wurf der Alphahündin darf am Leben bleiben. Die anderen Welpen werden totgebissen.

Bei unseren Collies werden Aufreitversuche an Menschen, sofern sie überhaupt vorkommen, streng unterbunden. Meine Hunde treiben genug Sport, um ruhig schlafen zu können. Sie sind sehr wenig triebhaft. Die alte Gladess hat zudem den jungen Aron, als er seine Potenz entdeckte, durch Wegbeißen gleich streng erzogen. Es war kein Problem, ihn frei bei Fuß an einer heißen Hündin vorbeizuführen. Collies sind in der Regel ohnehin wenig triebhafte Hunde.

Ich hatte eines Tages ein Gespräch mit der Besitzerin eines zweijährigen Mischlingsrüden. Sie war der Meinung, man könne "von einem jungen Rüden nicht erwarten, dass er sich an einer heißen Hündin vorbeiführen lässt" und sie würde ihn das nächste Mal gleich laufen lassen, wenn sie einer läufigen Hündin begegnet. Die Leute sein doch selber Schuld, wenn sie eine läufige Hündin dort ausführten, wo auch Rüden ausgeführt werden. Als langjährige Hündinnen-Besitzerin sträuben sich bei mir sämtliche Haare, wenn ich so etwas höre! Ich hätte ja vielleicht.... beschränkte mich dann aber darauf, ihr die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen auseinanderzulegen, mit denen sie dann zu rechnen hat. Sie muss z. B. damit rechnen, dass ihr Hund einer heißen Hündin auch über die Straße folgt - ich kenne solche Situationen. Für einen dadurch entstehenden Unfall ist Sie verantwortlich (auch wenn ihre Hunde-Haftpflichtversicherung zahlt). Den Hund ist sie dann wahrscheinlich los. Rücksichtnahme und Verantwortungsbewusstsein würde ich auch von den Rüdenbesitzern erwarten. Sie müssen ihre Tiere im Griff haben und festhalten können. Von meiner Gladess habe ich mehrmals Rüden buchstäblich herunter treten müssen (sie hingen noch nicht fest). Sie waren unangeleint und meinten, ihre Chance sei gekommen, ohne dass der Besitzer eingriff. Manche Hündinnenbesitzer trauen sich an große Rüden nicht heran, mit der Folge, dass sie mit ihrer Hündin hinterher zum Abspritzen zum Tierarzt müssen. Das Beste ist, wenn der zugehörige Rüdenbesitzer den Hündinnenbesitzer, der einen Deckakt verhindert, dann noch der Tierquälerei bezichtigt, weil der zu ihrem Schatz grob geworden ist.

Hündinnen eines Rudels werden i. d. R. gleichzeitig oder fast gleichzeitig heiß. Im Rudelleben bedeutet die Hitze der Hündinnen Stress und Aufregung. Es kann zu Rivalität und Aggression gegenüber gleichgeschlechtlichen Tieren kommen. Rüden, die an heiße Hündinnen in ihrer Nähe nicht heran dürfen, machen oft ein ziemliches Gejammer und Gejaule. Genügend dominante Hundebesitzer können es aber verbieten.

Ich ziehe es inzwischen vor, das Rudel bereits ab dem ersten Tag der Läufigkeit einer der Hündinnen konsequent nach Geschlechtern getrennt zu halten und auch getrennt auszuführen, die Rüden zuerst, bis die letzte Hündin ihren letzten Läufigkeitstag hinter sich hat. Das erspart viel Aufregung und Stress.