Rassetypische Wesensunterschiede

Raufspiele unter jungen Hunden zeigen, wer der Stärkste ist und legen so die Rangordnung fest. Solche Spiele verdeutlichen uns immer wieder Rasseunterschiede im Wesen der Tiere. So konnte ich in der Baby- und Jugendphase meiner Collies beobachten, dass diese im Spiel selten knurrten oder grob wurden, während sich junge Deutsche Schäferhunde viel aggressiver gegeneinander behaupteten. Und so endeten Spiele zwischen Collie und Schäferhund auch meistens damit, dass der Schäferhund eindeutig Sieger blieb. Schäferhunde sind stärker und oft sehr rauflustig. "Kampftrieb ausgeprägt" hieß das früher auf den Hundeplätzen. Dies führte nun wiederum dazu, dass meine Collies an Spielen mit diesen Hunden, aber auch an Spielen mit Vertretern anderer "harter" Rassen im Allgemeinen schnell den Spaß verloren. Gladess zog sich dann grundsätzlich zu mir zurück. Bei Aron musste ich aufpassen, dass er aus dem Spiel, das ihm zu verletzend wurde, nicht Ernst machte. An Jagdspielen mit anderen schnellen Hunden haben Collies dagegen viel Spaß. Raufspiele sind generell nicht ihr Ding.

Wenn Sie noch vor der Anschaffung eines Hundes stehen, rate ich Ihnen, sich umfassend über die Wesensmerkmale zu informieren, die für die einzelnen Rassen charakteristisch sind. Es gibt über 400 unterschiedliche Rassen, die Sie natürlich nicht alle kennen müssen. Vergleichen Sie aber zumindest die Eigenschaften, die der Rasse zugesprochen werden, die Sie sich ausgesucht haben, mit dem, was Sie von Ihrem Hund erwarten. Bleiben Sie ehrlich mit sich selbst und suchen Sie ggf. nach Alternativen.

Bedenken Sie bitte, dass jede Hunderasse von ihren Freunden, meist Züchtern, beschrieben wird. So muss man ein wenig zwischen den Zeilen lesen können und raten, was an unangenehmen "Nebenwirkungen" dazukommen kann. Sehr "sensible" Hunde, wie Collies und Shelties, können bei zu harter Erziehung oder schlechten Erfahrungen leicht scheu oder ängstlich werden bzw. bleiben. "Sehr mutige" Hunde brauchen dagegen eine stärkere Hand und mitunter deutlichere negative Einwirkungen. Darüber hinaus gibt es natürlich individuelle Unterschiede. So war meine sanftmütige Gladess in ihrem Wesen sehr viel Collie-typischer, als der draufgängerische Aron, der schon in seinem Welpenrudel unter sieben Geschwistern mit wenigen Wochen der Dickste und Stärkste war. Die Beobachtung der Geschwistergruppe, aus der man einen Welpen angeboten bekommt, ist auch vor diesem Hintergrund sehr interessant. Welcher Welpe wirkt dominant, welcher eher zurückhaltend?

Darüber hinaus bitte ich Sie, ihre eigenen Kräfte realistisch einzuschätzen. Sie müssen in schwierigen Situationen in der Lage sein, Ihren provozierten, provozierenden oder in Panik geratenen Hund an der Leine oder am Halsband festzuhalten. Schmächtige Kerlchen mit umso mächtigeren, aggressiven Rottweilern an der Hand wirken oft so, als sei die nächste Katastrophe nicht weit. Wenn die Tiere dann wenigstens gut erzogen wären! Bei einer bestimmten Gruppe von Hundehaltern, die sich den Hund bereits nach dem Kriterium "grimmig soll er aussehen, Eindruck soll er machen!" ausgesucht haben, hängt das psychische Problem initial mehr am oberen Ende der Leine. Das wäre alles nicht so schlimm, gäbe es nicht z. T. schreckliche Beißunfälle mit deren Hunden!

Mit dem Verbot einzelner Hunderassen kommt man hier nicht weiter. Man müsste dann schon alle mittelgroßen und großen Hunde verbieten. Das wäre ein für viele Menschen sehr trauriger kultureller Verlust. Dabei haben wir längst genug Gesetze zum Schutz vor gefährlichen Hunden. Sie müssten nur vollzogen werden. Leider verlaufen Anzeigen gegen Hundler, deren Hunde als aggressiv auffielen, meist solange im Sande, wie niemand ernsthaft zu Schaden kam.

Einige für den Pit gezüchtete Kampfhund-Linien haben durch ihre Zucht eine so starke Aversion gegenüber gleichgeschlechtlichen Hunden, dass sie zumindest in Gegenwart solcher nie frei laufen dürfen. Es soll Zuchten gegeben haben, in denen regelmäßig die Mütter in den ersten Tagen nach einer Geburt vom Wurf entfernt werden mussten, weil sie sonst ihre Welpen zerbissen hätten. Mit solchen Hunden hätte nie gezüchtet werden dürfen! Zum Schutz der vielen gut sozialisierten und verhaltensnormalen Vertreter solcher Rassen möchte ich allerdings hinzufügen, dass solche Zuchtlinien auch bei so genannten Kampfhunden die absolute Ausnahme waren. Im Gegenteil, die meisten Vertreter solcher Rassen, die ich bisher kennen lernte, hatten durch ihre Schmerzunempfindlichkeit und das grundsätzlich sehr grobe Spiel mit Artgenossen eine weit höhere Reizschwelle als bspw. meine sensiblen Collies, die im Spiel mit anderen Hunden sehr sanft sind und u. U. einen im Spiel zugefügten Schmerz als böse Absicht und Kampfansage missinterpretieren.