Raufereien mit gleichgeschlechtlichen Artgenossen

Zu den natürlichen Verhaltensweisen gehört auch, dass sich ein erwachsener Hund mit einigen gleichgeschlechtlichen Artgenossen der Nachbarschaft möglicherweise nicht mehr verträgt. Hier hilft in der Regel nur eines: Festhalten beim Vorbeiführen. Eine Rauferei würde möglicherweise Tierarztkosten oder gar bleibende Schäden nach sich ziehen, ist also unerwünscht. Ob eine Rauferei  geeignet wäre, die Streitigkeiten beizulegen, zumindest unter Rüden, sollte nicht weiter ergründet werden. Ist erst einmal klar, wer stärker ist, so wird mitunter argumentiert, ordnet sich das unterlegene Tier wahrscheinlich unter und die Streitereien entfallen demnächst. Ich rate von solchen Kämpfen ab. Wir können nicht unbedingt von instinktsicheren Hunden ausgehen, die dem sich ergebenden Hund gegenüber eine angemessene Beißhemmung zeigen. Ich kannte einen 18-jährigen Belgischen Schäferhund (Tervueren) mit wunderschönem rotbraunem Langhaar, der in unserer vorigen Nachbarschaft seit einem Rüdenkampf in jungen Jahren einäugig herumlief - ein trauriger Anblick!

Dass zwei Hündinnen aneinander geraten, kommt zwar seltener vor, ist aber umso gefährlicher. Hündinnen kämpfen oft im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod, jedenfalls verletzend. Solche Kämpfe sind also im Vorfeld zu unterbinden. Beim Trennen bereits kämpfender Hunde sollte man bedenken, dass schon manch ein Hundebesitzer selbst dabei Finger eingebüßt hat! Auf keinen Fall dürfen die ineinander verbissenen Tiere auseinander gezogen werden. Man reißt damit erst recht große Wunden auf. Stattdessen ist es sinnvoller, die Tiere zusammen zuschieben, denn das löst einen Reiz aus, der zum Ausspucken führt. Kein Opfer "will" in das Maul des Angreifers hinein. Widerstand in Form von Ausspucken ist die Folge. Das ist der Moment, in dem die Tiere zu trennen sind.

Oft existieren die Feindseligkeiten auch nur, weil mindestens einer der Hunde an der Leine gehalten wird. Begegnen die Hunde sich unangeleint, passiert bei gut sozialisierten Hunden meistens nichts. Dies soll nun nicht dazu einladen, unsichere Kandidaten freizulassen, weil man hofft, dass dann nichts passiert. Sicherer ist es i. d. R., beide Hunde angeleint mit gebührendem Abstand aneinander vorbei zu führen.

Ob die angeleinten Hunde sich mit ihrem Frauchen oder Herrchen an der Leine besonders stark fühlen und sich deshalb mehr trauen oder ob sie sich durch die Leine in ihrer Freiheit so stark eingeengt sehen, dass sie meinen, umso schärfer andere Hunde wegbellen oder -beißen zu müssen, will ich hier nicht ergründen. Tatsache ist, dass es einer sehr konsequenten Bei-Fuß-Dressur bedarf, um einen Hund an einem verfeindeten Hund vorbeizulenken, ohne dass er an der Leine zieht oder sich böse in die Leine wirft.

Mein Hund Aron ließ sich mit einem Jahr auch unangeleint zu Fuß oder am Fahrrad bei Fuß an seinen Feinden vorbeilenken, hüpfte dabei aber noch auf und nieder und bellte böse. Das Kommando "Fuß!!!" musste ich dafür besonders tief und drohend aussprechen. Trotzdem gab es auch bei Aron manch einen spannenden Moment, wie z. B. der folgende Bericht zeigt (Tagebuch-Eintrag vom 20.4.2000):

"Als wir gerade den Park verließen, gab es einen kleinen Zusammenstoß zwischen Aron und einem ebenso dominanten American Bulldog-Rüden, der frei am Fahrrad geführt wurde. Er ließ sich erst an uns vorbei dirigieren, kam dann aber zurück, um Aron anzustänkern. Da war er an der richtigen Adresse! Aron knurrte kurz, drehte die Rute hoch und im nächsten Moment hatten sie sich in den Haaren. Die kleinen Hündinnen sausten aufgeregt kläffend um uns herum. Ich konnte Aron an der Mähne festhalten und auf die Hinterläufe aufrichten, so dass er den Bulldog erst einmal fallen ließ. Dessen Frauchen kam etwas unsicher dazu, griff sich ihren Hund und leinte ihn an. Wir stellten fest, dass beide unverletzt waren, meinten so was wie 'Ja, ja, unsere Jungs!' und trennten uns freundlich. Unsere gute Stimmung war sicher der Grund, warum sich meine Bande und der Bulldog ebenso spontan beruhigen ließen, wie sie sich aufgeregt hatte."

Außerhalb des eigenen Reviers war Belana immer freundlich zur Schäferhündin Bescha, in der Wohnung galt das nicht (Tagebuch-Eintrag vom 29. und 30.4.2001):

"Meine Schwester ist mit Ehemann und zwei Hunden, Bescha und Benni, zu Besuch. Die Begrüßung der Schäferhündin durch Belana war mehr als unfreundlich. Obwohl Belana Bescha seit ihrer Welpenzeit kennt, wollte sie sie nicht ins Wohnzimmer lassen und rupfte ihr wütend flockenweise Haare aus der Mähne. Wir schafften es, die beiden zu trennen, als die überraschte Bescha gerade mit ihrer Verteidigung beginnen wollte. Das hätte was werden können... Wir beschlossen, die Hunde getrennt voneinander zu halten. Also zogen Bescha und Benni ins Gästezimmer und wir hielten die Tür zum Wohnzimmer geschlossen. Sicher steigert die aktuell gespannte Situation mit der heißen Tochter Anjin Belanas Angriffslust. Andererseits hatte sie es noch nie nötig, in diesem neuen Revier eine fremde Hündin zu dulden. Offenbar will sie als Alphahündin unseres Rudels für die territoriale Verteidigung sorgen, wenn schon Aron es nicht tut - er heißt eher Hündinnen als Rüden herzlich willkommen. Aron ist untergeordneten Rüden gegenüber tolerant, wäre aber möglicherweise früher oder später mit dem ähnlich dominanten Benni zusammengestoßen, wenn wir nicht für die räumliche Trennung gesorgt hätten. Wir wissen jetzt, worauf wir gefasst sein müssen, wenn uns mal wieder jemand mit Hund besuchen möchte."

"Mit meiner Schwester und ihrem Mann hat Belana kein Problem. Auch den Rüden Benni hätte sie akzeptiert. Nur zu Bescha dürfen wir sie nicht mehr hin lassen. Das zeigte sich erneut, als Bescha und Benni mal kurz mit ins Wohnzimmer kamen und Belana unerwartet früh vom Freigehege zurückkehrte. Belana ging wieder sofort wütend auf Bescha los, die diesmal spontan aggressiv reagierte. Wir trennten sie rechtzeitig, bevor eine der anderen einen Schaden hätte zufügen können. Nein, hier ist kein Platz für eine fremde Hündin, findet Belana."

Nachträgliche Anmerkung: So dominant sollten Hunde eigentlich nie werden. Als wir die damals 3-jährige Rhodesian Ridgeback-Hündin Kira zur weiteren Vermittlung übernahmen, mussten meine eigenen Hündinnen akzeptieren lernen, dass es Frauchens Ernst ist, dass diese fremde Hündin nun bis auf weiteres zum Rudel gehört. Dafür musste ich anfangs gelegentlich recht grob dazwischen gehen, wenn Belana mit ihren Töchtern gemeinsam einen Angriff auf das neue Familienmitglied startete.