Auch bei allerbester Pflege und der Bereitschaft, den geliebten Hund über alle ihm unüberwindlich werdenden Hindernisse zu tragen bis unsere eigenen Kräfte schwinden, müssen wir eines Tages feststellen, dass unser Hund zunehmend unter Krankheit oder Altersschwäche leidet.
Wir Hundebesitzer sind dazu verpflichtet, unsere Tiere bei Bedarf tierärztlich behandeln und nicht leiden zu lassen. Wer einen kranken oder altersschwachen Hund unnötig leiden lässt, ist ein Tierquäler! Viele von uns stehen früher oder später vor der Entscheidung, die letzte Spritze setzen zu lassen. Es ist sicher oft sinnvoll, vor dieser endgültigen Entscheidung eine zweite tierärztliche Meinung einzuholen. Die Entscheidung selbst fällt sehr schwer.
Zum Abschied von Gladess nach 15-einhalb gemeinsamen Jahren schrieb ich in unser Tagebuch (Tagebuch-Eintrag vom 30.11.2000):
"Heute stolperte Gladess beim Verlassen der Wohnung über die Stufe zur Terrasse hinunter und fiel hin. Trotz der Wohnwärme, die sie die ganze Nacht über genoss, erinnerte ihre Motorik jetzt stark an die eines BSE-kranken Rindes. Die merkwürdige Kopfhaltung gehörte offenbar dazu. Sie fraß wenig, stand dafür aber lange bewegungslos vor ihrem Napf. Sie schien sich kaum noch zu trauen, ihre Beine überhaupt zu bewegen. Als mein Mann und mein Sohn uns verließen, um ins Büro zu fahren, sagte ich schon, dass sie Gladess nun möglicherweise zum letzten Mal gesehen haben. Nachmittags kam meine Mutter zu Besuch. Auch sie sah, wie langsam Gladess nun aufstand. Ich bereitete sie darauf vor, dass ich nun wohl dem Tierarzt die Entscheidung überlassen würde. Nachdem sie gegangen war, trug ich Gladess ins Auto. Der Tierarzt entschied, dass eine teure Kortisonbehandlung mit richtig starken Medikamenten sie doch höchstens einige Wochen länger leiden ließe. Bei ihren aktuellen motorischen Problemen sei ein fröhliches Hundeleben doch nicht mehr möglich. Als er ihr in die Augen leuchtete, verdrehte sie die Augen ebenso merkwürdig nach links, wie seit gestern den ganzen Kopf. Auch das sei ein sehr schlechtes Zeichen. Offenbar war das Gleichgewichtsorgan im linken Innenohr kaputt. So war es kein Wunder, dass zu den motorischen Problemen ein Gleichgewicht Verlieren und damit ein extremes Torkeln kam. Zum Einschläfern gehörte eine Narkosespritze und das tödliche Gift, das direkt nach der Narkosespritze gesetzt wurde. Die Spritzen schien sie nicht einmal zu bemerken. Ich unterstützte ihren Kopf mit der linken Hand und streichelte ihn mit der rechten. Nach wenigen Sekunden entspannte sie sich, der Kopf sank in meine Hand, der Blick wurde starr, Puls und Atmung setzten aus. Ein schöner Tod, ein schneller Tod. Manch ein leidender Mensch mag sie darum beneiden. Für ihre Erlösung und die anschließende Entsorgung zahlte ich 190,- DM, 40,- davon an den Abdecker, der sie vom Tierarzt zur Verbrennung bringt. Ich hätte sie gerne im eigenen Garten begraben. Da hier jedoch die Bodenmächtigkeit nur etwa 40 cm über der Tiefgarage beträgt und in unserem künftigen Garten etwa 30 cm über dem Schiefer, fehlt mir dazu die Gelegenheit. Gladess ging in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte, mit vollständigem Gebiss und einem lückenlosen Pelz. In unserer Erinnerung wird sie weiterleben als schöner, kluger, selbständiger, zuverlässiger und besonders treuer Hund, der in seinen guten Jahren bis zu 59 Begriffe auseinander hielt und bis zum Schluss nie jammerte. Ich denke, sie hatte ein gutes und recht langes Hundeleben."
Die Reaktionen unserer Hunde am Tag nach Gladess Einschläferung beschreibt der folgende Tagebuch-Eintrag vom 1.12.2000:
"Aron suchte heute seine liebe alte Freundin und Ziehmutter Gladess umsonst in Wohnung und Garten. Er wirkte als einziger im Rudel richtig beunruhigt. Mir gegenüber war er besonders liebebedürftig und wirkte längst nicht so stolz, dominant und selbständig wie sonst, sondern eher welpenhaft Hilfe suchend. Er apportierte sogar freiwillig, ohne Kommando, schnell und korrekt, obwohl meine Taschen leer waren. Belana kam auch oft schmusen, wirkte aber sonst so wie immer. Die drei Jüngsten legten sich auf Gladess Wolldecke und ich war mir nicht klar darüber, ob sie nun dort auf Gladess warteten oder ob sie sich über die gute Erbschaft freuten. Es gab Stunden, in denen sie ausgelassen wie immer durch den Garten tobten. Sie zeigen uns, dass das Leben auch ohne Gladess weitergeht."