Ständig an der Leine ziehende und zerrende Hunde gefährden nicht nur die eigenen Gelenke und Wirbelsäulen, sondern auch die Gesundheit ihrer Hundeführer! Gelenkentzündungen oder Schäden an der Wirbelsäule können auch bei ihm verursacht werden, von den Folgen von Stürzen und anderen Unfällen mal ganz abgesehen.
Die Unart, an der Leine zu ziehen, sollten Hunde bereits im Welpenalter abgelegt haben, bevor es zur Gewohnheit wird oder ihre Kraft genügt, jemanden umzureißen oder zu schädigen. Ich habe meine Hundebabys, sobald sie munter nach vorne zogen mit einem leisen "Hier!" und Leckerli kurz angelockt. Wendeten sie sich ausnahmsweise nicht augenblicklich zu mir um, blieb ich stehen und holte sie mit der Leine zurück.
Häufiger, völlig unerwarteter Richtungswechsel ist gut, um die Aufmerksamkeit des Hundes auf sich zu lenken und das Ziehen für den Hund uneffektiv und unattraktiv zu machen. Weitere Kehrtwendungen, jeweils angekündigt mit "kehrt", und plötzliche Richtungswechsel, angekündigt mit einem tiefen "rääächts" oder einem hohen "links", machen den Hund darauf aufmerksam, dass der Mensch führt, auch dann, wenn der Hund vorneweg läuft. Außerdem benennt man bereits die Richtungen, in die man den Hund bewegen möchte. Für späteres freies Richtungsweisen, z. B. während einer Stöbersuche oder auch für Zugarbeiten sind diese Vokabeln dann als Befehle wichtig.
Das "Hinter mir!"-Kommando wird eingeführt, ein mit Händen und Füßen durchgesetztes Überholverbot. Dann läuft eben mal der Hundeführer vorneweg. Besonders bergab auf Glatteis ist dieses Kommando für die eigene Gesundheit wichtig!
Leint man den Hund erst an, wenn er ohnehin schon sehr müde ist, wird er nicht ziehen. Wird er bei diesem Nichtziehen gelobt, ist das schon sehr einprägsam für den Hund.
Wer mit mehreren, mindestens mittelgroßen Hunden gleichzeitig raus geht, steht möglicherweise vor dem Problem, dass die Meute kaum haltbar zieht, wohingegen der einzelne Hund es sich doch bereits abgewöhnen ließ. Kann man den Hund erfolgreich korrigieren, der die anderen zum Schnellerwerden aufstachelt, ist möglicherweise das Problem bereits gelöst. Hierzu der Tagebuch-Eintrag vom 6.6.2000, von Anjins erstem weiteren Ausflug mit Halti. Sie war gerade sechs Monate alt:
"Ich machte bei recht kühlem, aber trockenem Wetter einen Stadtspaziergang mit meinen vier schnellen Hunden. Da ich witterungsbedingt ohnehin meine Schultergelenke spürte, hatte ich keine Lust, mich mit dem Zurückhalten meiner Meute zu belasten. Also zog ich dem motiviertesten Zugtier von allen ein Halti an. Anjin kannte es ja bereits von Bei-Fuß-Übungen. Nur ließ ich die Leine diesmal so lang wie sonst auch auf Spaziergängen. Schon im Treppenhaus überholte Anjin alle anderen und rannte ins Halti. Verduzt bremste sie ab. Draußen dasselbe noch mal. Ihre Schnauze blieb an der gespannten Leine hängen, die Hinterläufe überholten die Vorderläufe, giftige Blicke trafen mich. Anjin rollte gefährlich ihre Augen, so dass das Weiß in ihnen nur so blitzte. Sie hüpfte ein paar Mal auf der Stelle, zog an der Leine, so gut sie es jetzt noch konnte, versuchte mit der rechten Vorderpfote den lästigen Fremdkörper abzustreifen und gab dann auf. Anjin an durchhängender Leine! Wer hätte das gedacht! Auf eine Zugminderung hatte ich spekuliert, aber die durchhängende Leine war wirklich ein voller Erfolg. Doch es kam noch besser: Ich hatte mich darauf eingestellt, Aron, Belana und Arabelle zurückhalten zu müssen. Diesen fehlte aber offenbar ein Startimpuls, der wohl sonst von Anjins Zieherei ausgegangen war. Alle vier gingen an durchhängenden Leinen. Wie angenehm nach den Monaten der nicht bestellten Zugarbeiten!"
An einem anderen Tag setzte ich auf den plötzlichen Richtungswechsel:
"Heute nahm ich meine vier flotten Hunde ans Leinenbündel und übte mit normalen, breiten, festgeschnallten Lederhalsbändern das Nichtziehen im Park. Ich setzte dabei auf den plötzlichen Richtungswechsel. Sobald sich die Leinen strafften kam ein 'Rääächts!', 'Links!', 'Kehrt!' oder 'Platz!'-Kommando. Das 'Platz und Ruh!' kam auch ein paar Mal vor, als nämlich andere Hunde ansatzweise angebellt wurden. Anjin gab sich größte Mühe, trotz meiner Einwirkung immer sofort wieder ganz vorne zu sein. Ich inszenierte etliche Verwicklungen um Pfähle, Laternen, Polder und Baumstämme, so dass gerade Anjin immer wieder jäh gebremst wurde und ein kurzes Stück zurück musste..." (Tagebuch-Eintrag vom 21.6.2000)
Auf Wegen, die nur geradeaus möglich waren, war die Methode jedoch ungeeignet, weil es eben nur die eine Richtung oder die Gegenrichtung gab. Das Voranstürmen unmittelbar nach der Wende war dann gleich wieder mein Problem. Was macht man dann? Gleich noch eine Wende - aha! Und dann noch eine und noch eine. Da meine Collies einen ausgeprägten Hütetrieb haben und es klasse finden, um Familienmitglieder herumzusausen, begann ich also zwangsläufig, zu voltigieren! Da meine Hunde im Garten schon mit wenigen Monaten eine im-Kreis-Renn-Kondition von bis zu drei (!) Stunden bewiesen, hätte ich damit Wurzeln schlagen dürfen. Tolles Spiel!
Einmal hatte ich einen Helfer, der mir Anjin abnahm, so dass "Fuß!" geübt werden konnte:
"... Abends machte ich mit meinem Mann und den vier schnellen Hunden einen Spaziergang zum See. Mein Mann konnte nicht mit ansehen, was Anjin mir mit ihrer Zieherei gleich wieder für Kräfte abverlangte. Mich ziehen lassen erschien ihm genauso wenig akzeptabel, wie Anjin ständig in die Leine laufen zu lassen und mit Rucken abzustoppen. 'Gib mir mal die Anjin', meinte er, sie verstehe doch 'Fuß!'. Gut, versuchen konnte er es ja mal. Ihre Sturheit weckte seinen Ehrgeiz. Ich gab ihm die Leine mit Anjin und ein Döschen Leckerlis dazu. Heute hatte ich Bröckchen aus gekochter Schweineleber bei. Das ist wirklich toll als Belohnung. Mit Aron, Belana und Arabelle konnte ich ebenfalls 'Fuß!' üben, die drei wie die Orgelpfeifen links neben mir führend. Natürlich musste Arabelle ganz außen gehen, die 'besseren Plätze' beim Bei-Fuß-Gehen sind nun mal bereits besetzt. Aber es funktionierte! Nachdem Anjin kapiert hatte, dass Thomas' 'Fuß!' nicht bedeutete 'geh jetzt links neben Frauchen!', sondern 'Bleib links neben Herrchen!', gingen wirklich alle vier Hunde bei Fuß! So gingen wir mit durchhängenden Leinen, gelegentlichen Korrekturen und natürlich etlichen Belohnungs-'Sitz!'-Pausen bis zum See, wo alle schwimmen gingen, die Kleinen allerdings erst nach einer gewissen im-Wasser-Steh- und Kläff-Phase...' (Tagebuch-Eintrag vom 24.6.2000)
So richtig frei von unerwünschten Zugarbeiten war ich jedoch erst, nachdem ich das "Hinter mir!"-Kommando einführte (s. Kap. "Hinter mir!").