Negative Einwirkung (Verleiden)

Nehmen wir als Beispiel die Absicherung des Kommandos "Hier!". Sie halten vielleicht gerade ein schönes Futterbröckchen bereit, aber Ihr Hund findet es wichtiger, nach einem Mäuslein zu buddeln. Er kommt einfach nicht trotz "Hier!". Sie nehmen einen Lehmklumpen und treffen den Hund unsanft in die Flanke. Er wird sich verdutzt umsehen und über Ihre Reichweite staunen. Sie haben die Gelegenheit, Ihr "Hier!" zu wiederholen. Wahrscheinlich wird er jetzt respektvoll kommen und Sie haben die Gelegenheit, ihn wie geplant zu belohnen. Buddelt er weiter, war der Wurf zu schwach oder das Lehmbröckchen zu klein.

Welpen lernen auch über Versuch und Irrtum. Was bringt Glücksgefühle, was lässt man besser?  Leider kommen Hunde – je intelligenter, desto phantasievoller – dabei auch auf Handlungsweisen, die wir als Unarten einstufen und denen wir entgegenwirken müssen. Zunächst einmal führe ich bei meinen Hunden das "Nein!" als Ansage ein, dass mir das aktuelle Verhalten missfällt. Wenn der Hund auch ein zweites, lauteres, deutlicheres "Nein!" ignoriert, folgt eine negative Einwirkung. Das "Nein!" funktioniert nach einigen Erfahrungen analog zum vorab bestätigenden "Ja!" und macht idealerweise das negative Einwirken bald überflüssig.

Über das Verleiden von Fehlverhalten wird in Hundlerkreisen viel gestritten. Die Ratschläge reichen von "Ignorieren und Erfolgserlebnisse verhindern" über Anschreien bis hin zu "körperlichen Abbruchsignalen". Unter letzteren versteht man Drohverhalten und körperliche Begrenzung wie Wegschubsen, Dazwischenrennen, Umrempeln, in die Seite kneifen, ins Ohr beißen, Fang umfassen (Schnauzengriff) bis hin zum unsanften auf den Rücken drehen und, wenn das noch nicht reicht, am Hals greifen und den Hals am Boden fixieren, bis der Hund sich unterwürfig zeigt, indem er sich regungslos in sein Schicksal fügt ("Alphawurf"). Je nach Hund kann der Alphawurf in einen den Besitzer oder Trainer verletzenden Kampf ausarten. Dann hat der Hund gewonnen und weitere, massivere Probleme folgen. Schon deshalb sollte nur jemand, der sich seiner Überlegenheit wirklich bewusst ist, so versuchen, auf einen Hund einzuwirken. Im Leben meiner Hunde gibt/gab es sehr selten die Notwendigkeit, so hart einzugreifen. Im alltäglichen, freundlichen Miteinander sollten solche Methoden nicht vorkommen. Wer meint, jeden Monat oder gar öfter so eingreifen zu müssen, sollte seine Probleme endlich einem erfahrenen Hundetrainer anvertrauen und sich vom Profi helfen lassen. Besser ist es, gleich die Hilfe eines Experten anzufordern und auf solche Methoden komplett zu verzichten.

Als Hilfsmittel kommen u. a. Wasserpistolen, Wassereimer, Wasser-Sprühkannen, Schepperbüchsen (leere Konservendose, gefüllt mit Steinen oder dicken Schrauben o. ä.), Wurfketten, Reitgerten und Fernbedienungshalsbänder mit Spezial-Spray infrage. Meist geht es auch ganz ohne.

Bei uns hat sich das Abtreffen mit ungefährlichen Gegenständen bewährt, um die Aufmerksamkeit sofort wieder zu bekommen. Ein heranfliegendes Sofakissen hat in der Wohnung schon so manchem "Nein!" zur Wirkung verholfen. Ein mit Wurzeln ausgerissener Grasbüschel, ein Lehmklumpen oder wenig verfestigter Schnee sind unterwegs geeignete Mittel. Auch ein eigens dafür in mehrere alte Socken gepackter runder Stein kann als "Wurfei" nützlich sein. Der Hund braucht nicht jedes Mal getroffen zu werden. Meist genügt der Schreck, und schon bald gilt "Nein!" auch ohne Wurfgeschoss, das Rippen oder Kruppe trifft. Eine Weile benutzen wir "Nein!" noch mit der werfenden Handbewegung, später auch ohne sie. Das "Nein!" hat sich als Abbruchkommando eingeprägt. Hat der Hund zu einer bestimmten Handlung mehrmals sein "Nein!" bekommen, wird er sie nicht mehr lieben. Wir sind am Ziel. Um schneller zum Ziel zu kommen, habe ich mit Testsituationen gearbeitet. Ich habe zum Beispiel absichtlich Käse auf dem Tisch stehen lassen. Den stehlenden Hund konnte ich dann auf frischer Tat ertappen. Aber seien Sie bitte vorsichtig beim Abtreffen und bei der Auswahl Ihrer Wurfgeschosse: Riskieren Sie nicht, Ihren Hund mit etwas so heftig versehentlich am Kopf zu treffen, dass es verletzend wirkt oder eine Gehirnerschütterung auslöst! Wie gut zielen Sie? Sie meinen vielleicht, nur das Hinterteil zu treffen, da dreht sich Ihr Hund gerade um... Also sollte der Gegenstand stets harmlos und ihr Wurf schwach genug sein!

Wie auch immer Sie einzuwirken gedenken, achten Sie darauf, dass Sie an der Wirkungsschwelle bleiben. Die unangenehme Erfahrung darf den Hund weder verletzen noch zum traumatischen Erlebnis werden und bleibende Ängste hinterlassen. Jede negative Einwirkung muss der Hundepersönlichkeit und der Situation angepasst sein und im richtigen Moment erfolgen. Ist der Hund erfolgreich korrigiert, kommen auch wieder positive Momente. Hunde sind niemals nachtragend und könnten solches Verhalten nicht verstehen.

Fehlverknüpfungen sind Assoziationen des unangenehmen Reizes mit zufällig gleichzeitig auftretenden Ereignissen, die mit der "Sache", um die es dem Hundeführer geht, nichts zu tun haben. Fährt z. B. gerade ein Zug an ihm und seinem Hund vorbei, der gerade nach Mäusen buddelt und deshalb nicht hören will, kann eine unverhältnismäßig starke negative Einwirkung Ängste vor vorbeifahrenden Zügen auslösen. Diese Fehlverknüpfung wieder abzubauen, kann langwieriges Training bedeuten. Nicht zuletzt deshalb wurden Elektroschock-Halsbänder ("Teletakt") verboten.

Viele Hunde verknüpfen schnell jegliche Einwirkung mit der Anwesenheit des Hundeführers. Fühlen sie sich unbeobachtet, toben sie sich aus. In einem solchen Moment muss eine Einwirkung wie aus heiterem Himmel über den Übeltäter hereinbrechen ("liebe-Gott-Effekt"). Unerwünschte Handlungen selbstbestrafend zu machen, erfordert einiges an Kreativität. So kann doppelseitiges Klebeband den Sprung auf das Sofa unangenehm machen. Oder es hagelt plötzlich Schepperbüchsen, wenn der Hund vom Tisch klauen möchte und dabei den Faden löst, der die Schepperbüchsen unter der Decke hielten.