Leute Anbellen, Stellen und Verbellen

Das Stellen und Verbellen hat mit Misstrauen und Angriffsstimmung Fremden gegenüber zu tun. Hunde mit einem starken Wehrverhalten ("Wehrtrieb") fallen dadurch oft unangenehm auf. Sie müssen lernen, dass dieses Verhalten meist unerwünscht ist und zu unterlassen ist. Stellen und Verbellen hält den Fremden oder das fremde Tier auf, ruft das Rudel heran und kann in eine wilde Jagd übergehen, in einen Kampf oder das Beutereißen. Daher ist es unbedingt nötig, dass Hunde mit derartigem Verhalten sich abrufen lassen oder zumindest "Platz!" sicher befolgen lernen, bevor man sie frei herumlaufen lässt.

Auch meine Hunde brachten mich in ihrer Welpen- und Junghundezeit des Öfteren in aufregende Situationen. Bei meinen Jüngsten kam erschwerend hinzu, dass sie durch den Rudeleffekt bei ihresgleichen Unterstützung und Bestätigung fanden:

Unsere 10 Wochen alten Welpen stellten, verbellten und verjagten auf einem Spaziergang einen mittelgroßen Mix:

"Auf unserem Abendspaziergang bummelte Arabelle im Freilauf-Abschnitt immer deutlicher hinter uns her. Sogar Belana und Aron machten sich Sorgen und flitzten abwechselnd zu ihr zurück, um sie aufzufordern, zu folgen. Sie wartete offenbar auf irgendwen.

Dann wurde klar, worauf Arabelle wartete: Wir wurden vom zierlichen Mix Spike mit Frauchen eingeholt, der auf Hundegebell leider ängstlich reagiert. Der Arme wurde erst nur von Arabelle und, als sie uns erreichten, auch von Anjin und den anderen Welpen gestellt und verbellt. Spike ergriff kurzerhand die Flucht. Arabelle und Anjin hinterher. Im Handumdrehen betrug der Abstand zu uns 100 m oder mehr. Wir riefen und kläfften uns fast die Stimme aus dem Hals, bis die Welpen endlich kehrt machten und, 50 m weiter, schon fast außerhalb unserer Sichtweite, auch Spike endlich umkehrte. Es war gar nicht so einfach, Spike für einen Moment meine aufmüpfige Wuselbande vom Hals oder diese zumindest leise zu halten, so dass er für ein paar -zig Meter angeleint werden konnte. Als er sich an die Gesellschaft gewöhnt hatte und die sich beruhigt hatte, konnte er wieder frei laufen..." (Tagebuch-Eintrag vom 16.2.2000)

Die vier Monate junge Anjin stellte und verbellte einen Rottweiler und einen Chihuahua, die plötzlich bei uns auftauchten:

"Im Park kamen plötzlich quer durchs Unterholz ein Rotti und ein Chihuahua auf uns zu. Von Herrchen oder Frauchen fehlte weit und breit jede Spur. Aufgrund seiner Größe und Breite stufte ich den Rotti sofort als Rüden ein und ermahnte vor allem Aron streng, auf dem Weg zu bleiben. Belana und Aron drehten die Ruten hoch und kläfften, der Rotti kam knurrend immer näher heran galoppiert. Ich befürchtete schon einen Kampf mit Aron. Er stoppte dann aber. Nun war es Anjin, die meinte, böse kläffend auf die Fremden losstürmen zu müssen. Im Handumdrehen stand sie den beiden im Dickicht gegenüber und kläffte. 'Hoffentlich ist der Rotti welpenfreundlich!', dachte ich und rief 'Anjin! Kehrt! Hier!'. Der Rotti schaute sich meine freche Göre einen Moment lang an, sein kleiner Begleiter kläffte, Anjin kläffte und dann machte jeder für sich Kehrt und die beiden verschwanden in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Anjin kam überaus stolz zurück mit der Gewissheit, uns vor dem Feind gerettet zu haben. Ihren Wehrtrieb in den Griff zu bekommen, wird in den nächsten Monaten noch anstrengend werden.

Ein Stück weiter begegneten uns die beiden dann mit ihren Frauchen noch mal. Wieder kam der Rotti knurrend auf uns zu galoppiert, was bei meinen Hunden Wehrhaltung und Gekläff auslöste. 'Sie tut nichts!', wurde mir von weitem zugebrüllt, als ich gerade versuchte, mein Rudel mit 'Platz und Ruh!' außer Betrieb zu setzen. Was mich beruhigte, war mehr das 'Sie' als das 'tut nichts'. Wäre ein Rüde so auf Aron zugesprungen, hätte es einen Kampf gegeben, da bin ich mir ziemlich sicher. So konnte ich meine ganze Bande aufstehen und die beiden begrüßen lassen. Belana versuchte zwar zunächst einen Scheinangriff, die Rotti-Hündin blieb jedoch gelassen und so regten sich auch meine Hunde wieder ab, obwohl die Welpen und der Chihuahua noch eine Weile weiter kläfften.

Ich finde es ziemlich naiv und fahrlässig, so eine starke, doch recht dominante Hündin frei kreuz und quer durch den Park rennen zu lassen. Angefeuert durch ihren kleinen Begleiter, hätte es mit einer anderen Hündin auch zum Kampf kommen können. Immerhin kannten die beiden Halterinnen meine Hunde nicht und das Sozialverhalten ist auch unter Hündinnen sehr unterschiedlich. Da hätte auch eine Leine an meinen Hunden unter Umständen nichts gebracht." (Tagebuch-Eintrag vom 14.4.2000)

Streng zu unterbinden ist das Anbellen von Personen und das Verfolgen von laufenden Personen und Fahrrädern oder etwa Autos. Aus dem niedlichen Jagdspiel des Welpen kann sich schnell das Beißen entwickeln, wenn der "frech" kläffende Hund von einem entnervten Passanten einen Tritt oder Schlag mit dem Spazierstock bekommt. Nötigen Sie niemanden, indem Sie in solchen Situationen "er will ja nur spielen!" oder "bleiben Sie stehen, damit er Ihnen nichts tut!" schreien. Sie machen uns Hundebesitzern nur noch mehr Feinde. Warum sollte jemand, der Hunde nicht mag, sich von unserem Hobby belästigen lassen? Manche Leute schlagen auch aus Angst nach dem Tier. Diese schlechte Erfahrung motiviert den Hund dann, Fremde tatsächlich bösartig zu begrüßen. Aus dem Bellen kann sich eine ernst gemeinte Jagdszene entwickeln, wenn die angebellte Person Angst bekommt und losrennt. Sie wird natürlich vom Hund eingefangen - mit Sicherheit nicht ohne böse Folgen. Autos nachzulaufen ist für den Hund immer lebensgefährlich.

Häufig wollten Kinder zunächst mit Aron ("Lassie") spielen, wurden dann aber ängstlich und provozierten so sein Bellen. Ich musste eingreifen. Eine erste Mahnung "Ruh!" hat ihn wenig beeindruckt. Ich bewegte mich zwischen ihn und die Kinder und drängte ihn zurück. Wird nur geschimpft, kann diese Situation auf folgendes Missverständnis führen: Der Hund meint, "sein" schimpfender Mensch schimpft nicht ihn aus, sondern - wie er - die fremden Menschen an. Er erfährt ein gemeinsames Bellen. Das liebt er. Selbst das Zurückdrängen kann als nettes Spiel missverstanden werden. Deshalb ging ich in solchen Situationen bald dazu über, den Befehl "Platz!" einzusetzen. Es ist oft ein Problem, in einer neuen Situation als Hundebesitzer spontan logisch richtig zu handeln! Ist man auf eine Situation vorbereitet oder hat man sie vielleicht sogar provoziert (Testsituation), ist es viel einfacher, geplant und vernünftig zu reagieren. Nach "Platz!" ist bei uns immer sofort Ruhe. Dieses Kommando unterbricht einfach alles. Außerdem wirkt der Platz haltende Hund kleiner und durch die Bewegungslosigkeit ungefährlich - das entschärft die Situation ungemein.

Ängstliche Menschen stoßen das Hormon Adrenalin in besonders hoher Konzentration aus und riechen damit für den Hund nach Beute oder einem angreifenden Feind, was beides Angriffsverhalten auslöst. Ich hatte genau eine Studienkollegin, die mir sagte, dass sie Angst vor Hunden habe. Obwohl meine Gladess sonst freundlich, ja aufdringlich freundlich, alle meine Studienkollegen empfing, musste ich sie immer dann in die Küche sperren, wenn meine ängstliche Freundin zu Besuch kam. Gladess war wie ausgewechselt: Statt die Frau zu begrüßen, bellte und knurrte sie böse und nahm eine aggressive Haltung ein.

Aron hatte vorübergehend die Unart, manche Fremde (selten Frauen) auch ohne ersichtlichen Grund anzubellen. Das Anbellen von Kindern war leicht in den Griff zu bekommen. Die Kinder durften ihm, zunächst noch immer in der Platzhaltung, Leckerlis füttern. Das Anbellen von Erwachsenen konnte ich bei Aron nur durch strenges "Platz!" und an die Leine nehmen, später durch "Hier!" und "Fuß!" in den Griff bekommen, worauf er sein Gebell spontan beendete und eine Weile brav bei Fuß gehen musste. Bald kam er dann von selbst zu mir und begann ruhig bei Fuß zu bleiben, bis wir an dem fremden Menschen vorüber waren. Ich brauchte nichts mehr zu sagen.

Einzelunterricht für Anjin:

"... Wir waren auf dem Heimweg, als wir einer kleinen Gruppe von Passanten begegneten. Anjin wollte sie zunächst mit Rawau melden. Sie bekam von mir einen kurzen Ruck (breites, weiches, feststehendes Lederhalsband) und ein 'Nein! Ruh! Sitz!'. Noch bevor sie erneut zum Kläffen ansetzen konnte, saß sie brav vor mir. Den Moment nutzte ich, um ihr schnell ein Leckerli anzubieten. Während sie dieses und folgende Trockenfutter-Bröckchen brav annahm, kam ich mit den Leuten ins Gespräch. Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Anjin blieb brav und leise vor mir sitzen. Ich war sehr zufrieden mit ihrem Verhalten. Diese Ruhe wäre ohne vorheriges Abreagieren sicher schwer möglich gewesen." (Tagebuch-Eintrag vom 26.6.2001)

Passanten leise vorbeilassen war mit dem ganzen Rudel dagegen lange unmöglich:

"Heute Nachmittag erntete ich seit langem zum ersten Mal wieder ein 'Die haben Sie aber gut im Griff!', nachdem ich zu Anjins ersten 'Wuff!' ein 'Platz!'-Kommando gab, was auch von allen befolgt wurde und das sogar ohne weiteres Gebell. Manche Spaziergänger werden brav durchgelassen, wie diese heute, während andere stärkeres Rawau auslösen und härteres Eingreifen nötig machen. Das sind vor allem hundeängstliche Menschen und solche, die die Hunde allzu genau fixieren und damit den Anschein erwecken, als würden sie die Hunde angreifen wollen." (Tagebuch-Eintrag vom 18.9.2001)